Theater 1

Pianist Uwe Matschke

Schauspieler müssen vor dem Auftritt vor Publikum den Anweisungen des Regisseurs folgen und proben und nochmals proben. Dann kommt vor der Aufführung noch die Generalprobe. Dazu gehört auch, den oft sehr langen Text auswendig zu lernen. Das Erlernen des Textes trifft auf das Ensemble von „Theatersport Berlin“ jedoch nicht zu. Dies bedeutet aber nicht, das diese darstellenden Künstler es einfacher haben als ihre Kollegen, die einen Text aufsagen müssen. Das 1995 gegründete Improvisationstheater spielt mit spontanen Themen, die das Publikum vorgibt. Drei Schauspieler, eine Moderatorin, ein Kater sowie unzählige Margaritas kommen auch ins Spiel.

Die Protagonisten treten in der hohen Kunst der Improvisation gegeneinander an und unterziehen sich knallharten Prüfungen. Am Ende küren die Besucher per Applaus den strahlenden Sieger des Abends. Er oder sie darf den begehrten goldenen Kater nach Hause tragen und wird als doppelte Krönung von den anderen  Mitspielern besungen — mit einer spontan improvisierten Ode an den Meister. Wie bei einer Speisenkarte im Restaurant stehen auf einer Karte verschiedene Szenen und Abhandlungen und Musikstücke. Ein Schauspieler begibt sich ins Publikum und ein zufällig ausgewählter Theaterbesucher gibt das Themenfeld vor. So zum Beispiel „Menschen oben und unten.“ Ein anderer Theaterbesucher kann nach eigenem Ermessen „oben und unten“ konkretisieren. So haben Gäste beispielsweise „König und Untertan“, „Vater und Sohn“ oder „Meister und Lehrling“ gewählt. Noch ein weiterer Theatergast geht ins Detail. Hat ein Gast „Meister und Lehrling“ gesagt, fordert der dann ausgewählte Theatergast „Malermeister und weiblicher Lehrling.“ Dadurch unterscheidet sich eine Theateraufführung von der anderen bei Theatersport Berlin, nichts ist einstudiert. Es geht aber auch noch komplizierter weiter! Ein Gast entscheidet, aus wie vielen Worten die Sätze des „Malermeisters“ bestehen dürfen. Die Moderatorin (Einfach sagenhaft hervorragend: die gebürtige Berliner Schauspielerin Josefine Heidt in dieser Rolle) auf der Bühne gibt zum Beispiel vor „drei bis zehn Worte.“ Ein Theaterbesucher darf dann bestimmen „Vier.“ Ein anderer Gast hat die Vorgaben für den „weiblichen Malerlehrling“ inne und fordert: “Drei.“ So sagt der Malermeister (herrlich: der in London und Berlin ausgebildete Schauspieler Marin Caktas) „Kommst wieder zu spät.“ Der Lehrling antwortet: „Oh, Meister, Pardon.“ Es geht weiter mit. „Diese Wand heute anstreichen! Aber bitte nicht einschlafen! Ich erwarte gute Leistung! Schaffst Du das wohl?“ Der Lehrling sagt unter dem Gelächter der Besucher: „Ja, gewiss, Meister. Ich bemühe mich. Ist zu schaffen. Nachmittags alles erledigt.“ Vielleicht aber doch nicht alles machbar, Herr Nachbar, bis zum Nachmittag? Zumindest nicht mit diesem Lehrling! Jana Kozewa spielt überzeugend die rotzfreche Berliner Göre, die ihrem Boss ja ein Bierchen abgeben würde, wenn er dafür diese blöde Wand allein streicht. Der Malermeister muss mit sich selber kämpfen, ob er auf das Angebot Bierflasche im Tausch gegen Streichen der Wand eingeht. Zumal uns der Handwerker traurig mitteilt: „Meine Frau passt auf. Niemals Bier am Arbeitsplatz. Auch zu Hause verboten.“ Die beiden Künstler unterhalten sich minutenlang und halten die vom Publikum gegebene Vorgabe von vier beziehungsweise drei Worten pro Satz strikt ein. „Ganz schön traurig. Hexe als Frau. Bestimmt kein Zuckerschlecken. Mein armer Meister.“ Es geht aber auch so weit, dass eine Dame aus dem Publikum auf einem Hocker auf der Bühne sitzt. Zwei Schauspieler stehen neben ihr. (Marin Caktas und Johann Jakob Wurster. Den gebürtigen Hamburger Künstler Wurster kennt man beispielsweise aus dem ARD-Tatort „Bienzle und die Schöne Lau“ oder „Kinderärztin Leah“, wo er den „Jochen Köhler“ darstellte). Wen die Dame anblickt, muss der Dame ein Lied singen. Natürlich nicht irgend ein Lied. Das Lied muss einen Bezug zur Dame haben. Die teilte den Künstlern mit: „Ich heiße Ute und bin von Beruf Physiotherapeutin.“ Die Melodie gibt der Pianist Uwe Matschke vor. So beginnt der erste Schauspieler singend mit „Ute, Du bist eine Gute.“ Wendet sich die Dame aus dem Publikum nunmehr dem anderen Künstler zu, fährt der fort mit. „Du massierst Rücken, das tut mich entzücken. Mach es doch auch mal für mich, denn ich liebe Dich.“ Das Ganze geht nicht immer fair zu! Brüllt das Publikum über die Leistung eines ganz bestimmten Künstlers „Meister“ teilt die Moderatorin kurz und bündig mit: „Ich habe deutlich Margarita gehört.“ Also muss der betreffende Künstler einen heben! Bei der Aufführung in Berlin sah man meisterhafte Unterhaltung, viel Musik, feucht-fröhliche Szenen und Margaritas in Strömen. Das Improvisationstheater hat den Titel „Der Meister und Margarita“ sich von Michael Bulgakow entliehen. Der 1891 in Kiew geborene Schriftsteller, der 1940 in Moskau verstorben ist, schrieb das satirisch-groteske Werk „Der Meister und Margarita.“ Es erschien erst 1967, also 37 Jahre nach seinem Ableben und wurde ein großer Erfolg. Ein großer Erfolg ist auch die Darstellungskunst des Berliner Improvisationstheaters. Das belegt ja schon die Tatsache, dass „Theatersport Berlin“ seit über zwei Jahrzehnten das Publikum begeistert. (Text/Fotos: VTN)

www.theatersport-berlin.de

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