Kirmes 2Foto: Bozena Behrens

Gerade für Kinder und Jugendliche mag der Beruf des Schaustellers ja ein Traumberuf sein. Man denkt daran, jeden Tag auf der Kirmes, dem Rummel, dem Weihnachtsmarkt oder dem Schützenfest kostenlos Karussell zu fahren und zahlreiche frisch gebrannte Mandeln in sich regelrecht hinein zuschaufeln. So romantisch und lebensfroh und lustig ist aber das Berufsleben der Schausteller gar nicht. Darauf machten die Schausteller am 10. November im Rahmen einer Pressekonferenz aufmerksam. Der Kirmesgastronom Albert Ritter ist Vorsitzender des „Deutschen Schaustellerbund e. V.“ (DSB). Der DSB sitzt in Berlin-Mitte und ist die Berufsorganisation für das deutsche Schaustellergewerbe. 90 Prozent aller Schausteller gehören dem DSB an. Er verzeichnet 11.100 Geschäfte und gibt 36.500 Menschen Vollzeitstellen. Jährlich finden in Deutschland rund 10.000 Volksfeste statt. Diese werden von 150 Millionen Gästen besucht.

Das Schaustellergewerbe ist eine Reise- und Saisontätigkeit mit speziellen Lebens- und Arbeitsbedingungen. Man denke nur daran, wie oft Kinder eine Schule wechseln müssen oder man meldet sie von vornherein in einem Internat an. Das bedeutet auch, möchten sich die Kleinen, die im Internat leben, mal bei Papa und Mama ausweinen, sind die hunderte von Kilometern entfernt am Arbeitsplatz, nämlich gerade auf einem Rummelplatz. Weder die reisenden Eltern noch die mitreisenden Kinder haben ihren Hausarzt oder Zahnarzt immer in der Nähe wohnen. Man ist ja ständig unterwegs. Dazu kommen noch die Probleme, die Behörden den Schaustellern machen. Als Beispiel nannte Albert Ritter das Losverfahren auf Kirmesplätzen. Wer sich das allerneuste Riesenrad oder eine hochmoderne Achterbahn zulegt, kommt rasant schnell in Investitionsbereiche, wo man von Millionen Euro redet. Banken brauchen ebenso wie die Schausteller Sicherheit bei der Planung. Wer zum Beispiel im Losverfahren das Nachsehen hat und nicht auf das Münchener Oktoberfest, den Hamburger Dom oder die Cranger Kirmes mit seinem Schaugeschäft kommen darf, dafür aber das Schützenfest in Krümmel an der Knatter bestücken darf, hat enorme Umsatzausfälle. Also halten sich Banken von vornherein bedeckt, wenn Schausteller gar nicht nachweisen können, wo sie ihre Zelte aufschlagen können. Ebenso wies Albert Ritter auf die Probleme mit der Reisegewerbekarte hin. Hat ein Schausteller das erweiterte Führungszeugnis den Behörden eingereicht und ist endlich im Besitz der begehrten Karte, muss er in jeder Kirmesstadt erneut Nachweise erbringen und Formulare ausfüllen. Die in Frankfurt am Main ausgestellte Reisegewerbekarte beispielsweise gilt nicht so ohne Weiteres auf dem Rummel in Frankfurt an der Oder. Eine löbliche Ausnahme bildet seit 1. November 2016 der Freistaat Bayern. Ein im Freistaat ausgestellter Nachweis des Reisegewerbes in Franken gilt auch in Niederbayern. Frank Hakelberg, Hauptgeschäftsführer des DSB, erklärte, man habe mit vielen politisch Verantwortlichen in ganz Deutschland dieses Thema zur Sprache gebracht. „Das Signal aus Bayern ist erst einmal ein sehr gutes. Natürlich möchten wir es auf ganz Deutschland ausgedehnt wissen.“ Der Mehrwertsteuersatz bereitet ihm und Albert Ritter auch viele Sorgen. Imbisse zahlen 7 Prozent, Restaurants 19 Prozent Mehrwertsteuer. Für deutsche Finanzämter bedeutet „sitzen“ immer den höchsten Steuersatz. Verzehrt der hungrige Kunde eine Bratwurst im Stehen, kommt der günstigere Steuertarif zum Tragen. Läuft er mit der Bratwurst ein paar Schritte und setzt sich an einem Bierstand hin um dort seine Bratwurst mit einem Getränk zu verzehren, kommt der höhere Steuersatz zum Zuge. Woher soll der Bratwurstverkäufer aber ahnen, wohin der Gast mit der Bratwurst denn nun hinlaufen will? Eine berechtigte Frage ist ja auch: Eine kleine Holzbank, ein Klappstuhl an der „Frittenbude“, rechtfertigen diese „Möbelstücke“ schon den Begriff eines Restaurants? Der Schausteller kann jedoch ganz schnell in eine Steuerfalle hinein fallen, die für ihn mit hohen Bußgeldern ausgestattet ist. Albert Ritter konnte noch ein Beispiel für unterschiedlichste Auslegung von Behörden den zahlreichen Pressevertreten verdeutlichen. „Wenn es regnet und ich stelle einer Dame einen Schirm zur Verfügung, dann bin ich ich Kavalier. Hat ein Imbissbetrieb oder ein Eissalon beispielsweise eine Markise, die in einen Kirmesweg hineinragt, zahlt er die Standgebühr auch für diese Markise. Soll man seine Gäste bei Regen nass werden lassen, kein Kavalier sein? Schnell kommen da ein paar Quadratmeter zusammen, die durch diese unsinnige Luftgebühr eine höhere Standgebühr bedingen, die eine Kommune uns dann abverlangt. Es gibt Kommunen, die sehen uns Schausteller als Goldesel an, selbst der neue Schreibtisch des Kirmesdezernenten muss nach Auffassung dieser Gemeinde aus dem Kirmesetat kommen. Wir Schausteller müssen diese Kosten ja auf die Fahrgeschäfte oder die Getränkepreise umlegen. Am Ende zahlt also der Kirmesbesucher.“ Das es für Schausteller „gute Kommunen gibt und welche, wo ich ernsthaften Handlungsbedarf sehe“, teilte Albert Ritter auch mit. Das solche Kommunen oft in einer Region liegen, machte er auch klar. Beide Gemeinden befinden sich in Westfalen. „Das Volksfest in Herne, die Cranger Kirmes, wird von fast 5 Millionen Gästen besucht. Der Herner Oberbürgermeister und die Dezernenten kommen uns entgegen, wo sie nur können. Wir zahlen wirklich nur die Kosten, die wir verursachen. Herr Dr. Dudda, der Herner Oberbürgermeister, weiß doch ganz genau, dass wir Schausteller es sind, die dafür sorgen, dass der Name der Stadt Herne deutschlandweit dann positiv besetzt ist. Kirmesbesucher aus dem ganzen Land bringen Geld mit und geben es dort aus, weil Kirmes nun einmal ein Volksfest für die ganze Familie ist. Man tankt dort als auswärtiger Besucher sein Auto voll, tätigt dort noch ein paar kleine Einkäufe, übernachtet vielleicht sogar in einem Hotel und ist ein Multiplikator für die Attraktivität dieser Stadt am Arbeitsplatz und im Freundeskreis. Eine bessere und kostengünstigere Werbung kann gar keine Stadt erzielen.“ Ross und Reiter in die andere Richtung gehend nannte Albert Ritter aber auch. „Mit Soest haben wir einiges zu bereden. Das können Sie mir abnehmen.“ Der DSB-Präsident möchte natürlich erst einmal auf dem kleinen Dienstweg und mit Diplomatie mit den Stadtoberen in Soest die delikate Angelegenheiten der Luftgebühr bereden. Wer Albert Ritter kennt weiß, er setzt sich mit Herzblut für seine Zunft ein. „Wir machen Kirmes Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. Das schon oft seit vielen Jahren in der fünften Generation. Wir machen nicht nur Kirmes, wir kennen Kirmes! Wir Schausteller sind auf Kirmesplätzen geboren und dort groß geworden bei Oma und Opa, die von ihren Großeltern den Betrieb übernommen haben. Man soll uns einfach machen lassen, in Ruhe arbeiten lassen. Wir wollen den Gästen Vergnügen bereiten zum fairen Preis. Unsere Kinder und Enkel wollen morgen und übermorgen ja auch noch den Schaustellerberuf ausüben.“ (Text: VTN/Foto: Bozena Behrens)