Saint Phalle 02455 Saint Phalle 02568

Tarot-Garten                                                                           Tarot-Garten 

 Spoerri 02876 Bomarzo 02614

Spoerri Garten                                                                          Heiliger Wald

Text/Fotos: Hanswerner Kruse

Die italienische Toskana, der teils raue, teils anmutige Landstrich zwischen Florenz und Rom, ist eine uralte Kulturlandschaft und bietet zahlreiche Kunstschätze. Doch bereits seit vielen Jahrzehnten werden auch zeitgenössische Kulturschaffende davon angezogen. Bekannte Künstler, etwa Fernando Botero oder Sandro Chia, ließen sich hier nieder, quälten sich mit der ungewohnten Gartenarbeit - und schufen dennoch individuelle Kunstoasen. In diese - von der Landschaft abgetrennten - Gärten integrierten sie ihre künstlerischen Arbeiten.

Dennoch haben die Anlagen nichts mit klassisch-englischen oder Barockgärten zu tun, in denen es um die ordentliche Ausgrenzung der anarchischen Natur ging. Der etwas unscharfe Begriff Künstlergärten meint keine Museen oder Galerien im Freien. Alle Werke in den Fantasiegärten, wie man sie eher nennen sollte, verändern sich ständig durch das Licht, die Jahreszeiten und die Witterung. Sie sind von bezaubernder oder erschreckender Schönheit - aber selten allgemein zugänglich. Nach der Corona-Pause kann man wieder drei der wichtigsten öffentlichen Anwesen besuchen:

 

Daniel-Spoerri-Garten

Daniel Spoerri feierte vor kurzem seinen 90. Geburtstag, die Medien bezeichneten ihn als Eat-Art-Künstler und lobten seine Fallenbilder, „vergaßen“ jedoch sein größtes Werk zu erwähnen: Mitten in der Toskana gründete der Schweizer in den frühen 1990er-Jahren auf 16 Hektar einen magischen Ort zwischen Zivilisation und Wildnis. Bereits das Haupthaus, mit dem Restaurant und einigen Apartments, empfängt einen mit der Inschrift „non solo EAT ARTs“.

Stundenlang kann (und soll) man in der Landschaft von einem Kunstwerk zum nächsten wandern, sich zwischendurch aber auch an schattigen Plätzen ausruhen. Der Parcours beginnt bei Spoerris Brunnen und Skulpturen aus Fleischwölfen, dann trifft man auf eine gewaltige Gänseherde aus Beton oder kann eine Aussichtsplattform besteigen. Gemeinsam mit einer lebensgroßen Bronzeskulptur sieht man von dort oben den „Labyrinthischen Mauerweg“. Von jedem Artefakt aus sind sogleich neue in der Ferne zu erkennen und locken zum Besuch.

Von Anfang an ermunterte Spoerri befreundete Kunstschaffende - wie Eva Aeppli, Meret Oppenheim oder Erwin Wurm - zur Mitgestaltung. Sein Anwesen ist ein offenes Land-Art-Projekt (im weitesten Sinne), in dem die Natur weder umzäunt noch ausgebeutet wird. Ab und zu wird Heu gemacht, bisweilen etwas Olivenöl und Wein gewonnen. In drei Apartments können Besucher preiswert übernachten. Der Künstler lebte lange Zeit hier, schuf seine Kunstwerke und kochte für die Gäste; nun wohnt er in Wien.

Wichtig ist der Weg, der Parcours, den man abschreitet, die Düfte, die man einatmet, die Geräusche, die man hört, das Wasser, das einem immer wieder begegnet.“

Daniel Spoerri

Tarot-Garten

Als Tarot-Garten pflanzte die französische Künstlerin Niki de Saint Phalle weniger behutsam ihre riesigen, mit Mosaiken bedeckte Stahlbetongebilde und Brunnen in die Landschaft: 22 kolossale, grellbunte Figuren stellen die „Großen Arkana“, die Trümpfe des Tarot-Spiels dar. Nur an den Rändern ihres bizarren Tarot-Weilers lugen steinerne Wächter und skurrile Geschöpfe aus der wild wuchernden Vegetation. Dazwischen sieht man - in Brunnen oder auf Waldlichtungen - üppige überlebensgroße Nanas, ihre Polyesterfiguren, mit denen sie einst bekannt wurde.

Die Künstlerin arbeitete lange - von 1979 bis 1994 - an diesem Projekt, rang der garstigen Natur ihr eigenes Traumland ab und hauste unterdessen in der Skulptur „Herrscherin“. Unterstützt wurde sie von ihrem Partner Jean Tinguely, der die zum Teil bewohnbaren Riesenwesen baute. Saint Phalles Mosaike sind von Antoni Gaudís Park Güell in Barcelona inspiriert. Mit einigen Gestalten zitierte die Künstlerin, übrigens wie Spoerri, Objekte aus dem gut eine Autostunde entfernten Monster-Park bei Bomarzo.

Dieser Garten entstand trotz Schwierigkeiten, aus Liebe, aus maßlosem Enthusiasmus, aus Besessenheit und vor allem aus tiefem Glauben. Nichts und niemand hätte mich aufhalten können.“

Niki de Saint Phalle

Heiliger Wald

Der Sacro Bosco bei Bomarzo ist (wortwörtlich) steinalt. In der Mitte des 16. Jahrhunderts ließ Fürst Vicino Orsini nach dem Tod seiner Frau dieses rätselhafte Pandämonium anlegen, in dem sich steinerne Ungeheuer mit monströsen Misch- und Fabelwesen tummeln. Nach dem Ableben des Fürsten geriet der völlig zugewucherte - auch Park der Ungeheuer (Parco di Mostri) genannte - Ort in Vergessenheit. Erst Mitte des 20. Jahrhundert wurde er wieder entdeckt. Die Skulpturen sind nicht fein säuberlich freigelegt und blankgeputzt, sondern zeugen mit ihrer eindrucksvollen Patina von der jahrhundertelangen Hochzeit der Natur mit der Kunst. Bis heute ist ungeklärt, welche zeitgenössischen Architekten, Bildhauer und Künstler hier wirkten.

Orsini ließ in dem Park auch ein schiefes Haus bauen, das Casa Pendente, welches mit seiner Schrägstellung das Gleichgewicht der Besucher und ihre Wahrnehmung völlig irritiert. Eine modern wirkende Idee, die Spoerri für eine bronzene Hütte in seinem Projekt aufgriff.

Salvador Dalí und Andre Breton besuchten als erste das restaurierte Anwesen und priesen es als Vorbote des Surrealismus, seitdem folgten viele Kunstschaffende. Man darf sich in dieser Fantasiewelt einfach treiben lassen und staunen. Aber mithilfe des gedruckten Führers kann man auch versuchen, die Mythologien und Anspielungen der bizarren Gestaltungen zu verstehen. Darin war wohl der Widerstand gegen den aufkommenden Rationalismus ebenso verborgen, wie eine Rebellion mit vorchristlichen Symbolen und Skulpturen antiker Gottheiten gegen das Papsttum.

Die zeitgenössischen Projekte Saint Phalles und Spoerris sind keine gefälligen Disneylands, sondern zeigen die Spannweite des künstlerischen Umgangs mit der Natur - zwischen Anpassung und Konfrontation. Ihr altertümlicher Vorläufer in Bomarzo ist ebenso faszinierend und wirkt teilweise erstaunlich modern. Alle drei Fantasiegärten lohnen den Besuch, für den man sich viel Zeit nehmen sollte.

...Der Schädel mit dem Scheunentormund / darinnen Tische und Stühle aus gleichem Granit / dich empfinge wäre der meine: / Hüt dich vorm Eintritt / damit du nicht in die unterirdischen Tiefen / meines ferneren Leibes gelangst / ausgestreckt unter Bomarzo...“

Günter Kunert Auszug aus: „Sehnsucht nach Bomarzo“ (Text/Fotos: Hanswerner Kruse)

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INFO

Daniel-Spoerri-Garten: Derzeit lediglich am Wochenende geöffnet www.danielspoerri.org
i 58038 Seggiano (Gr)

Tarot-Garten von Niki de Saint -Phalle: Täglich geöffnet www.nikidesaintphalle.com
i 58011 Capalbio (Gr)

Park der Ungeheuer: Täglich geöffnet www.bomarzo.net
Località Giardino, i 01020 Bomarzo (VT)

FOTOs Hanswerner Kruse

 

 

Künstlergärten in der Toskana
Die italienische Toskana, der teils raue, teils anmutige Landstrich zwischen Florenz und Rom, ist eine uralte Kulturlandschaft und bietet zahlreiche Kunstschätze. Doch bereits seit vielen Jahrzehnten werden auch zeitgenössische Kulturschaffende davon angezogen. Bekannte Künstler, etwa Fernando Botero oder Sandro Chia, ließen sich hier nieder, quälten sich mit der ungewohnten Gartenarbeit - und schufen dennoch individuelle Kunstoasen. In diese - von der Landschaft abgetrennten - Gärten integrierten sie ihre künstlerischen Arbeiten.
Dennoch haben die Anlagen nichts mit klassisch-englischen oder Barockgärten zu tun, in denen es um die ordentliche Ausgrenzung der anarchischen Natur ging. Der etwas unscharfe Begriff Künstlergärten meint keine Museen oder Galerien im Freien. Alle Werke in den Fantasiegärten, wie man sie eher nennen sollte, verändern sich ständig durch das Licht, die Jahreszeiten und die Witterung. Sie sind von bezaubernder oder erschreckender Schönheit - aber selten allgemein zugänglich. Nach der Corona-Pause kann man wieder drei der wichtigsten öffentlichen Anwesen besuchen:
Daniel-Spoerri-Garten
Daniel Spoerri feierte vor kurzem seinen 90. Geburtstag, die Medien bezeichneten ihn als Eat-Art-Künstler und lobten seine Fallenbilder, „vergaßen“ jedoch sein größtes Werk zu erwähnen: Mitten in der Toskana gründete der Schweizer in den frühen 1990er-Jahren auf 16 Hektar einen magischen Ort zwischen Zivilisation und Wildnis. Bereits das Haupthaus, mit dem Restaurant und einigen Apartments, empfängt einen mit der Inschrift „non solo EAT ARTs“.
Stundenlang kann (und soll) man in der Landschaft von einem Kunstwerk zum nächsten wandern, sich zwischendurch aber auch an schattigen Plätzen ausruhen. Der Parcours beginnt bei Spoerris Brunnen und Skulpturen aus Fleischwölfen, dann trifft man auf eine gewaltige Gänseherde aus Beton oder kann eine Aussichtsplattform besteigen. Gemeinsam mit einer lebensgroßen Bronzeskulptur sieht man von dort oben den „Labyrinthischen Mauerweg“. Von jedem Artefakt aus sind sogleich neue in der Ferne zu erkennen und locken zum Besuch.
Von Anfang an ermunterte Spoerri befreundete Kunstschaffende - wie Eva Aeppli, Meret Oppenheim oder Erwin Wurm - zur Mitgestaltung. Sein Anwesen ist ein offenes Land-Art-Projekt (im weitesten Sinne), in dem die Natur weder umzäunt noch ausgebeutet wird. Ab und zu wird Heu gemacht, bisweilen etwas Olivenöl und Wein gewonnen. In drei Apartments können Besucher preiswert übernachten. Der Künstler lebte lange Zeit hier, schuf seine Kunstwerke und kochte für die Gäste; nun wohnt er in Wien.
„Wichtig ist der Weg, der Parcours, den man abschreitet, die Düfte, die man einatmet, die Geräusche, die man hört, das Wasser, das einem immer wieder begegnet.“
Daniel Spoerri

Tarot-Garten
Als Tarot-Garten pflanzte die französische Künstlerin Niki de Saint Phalle weniger behutsam ihre riesigen, mit Mosaiken bedeckte Stahlbetongebilde und Brunnen in die Landschaft: 22 kolossale, grellbunte Figuren stellen die „Großen Arkana“, die Trümpfe des Tarot-Spiels dar. Nur an den Rändern ihres bizarren Tarot-Weilers lugen steinerne Wächter und skurrile Geschöpfe aus der wild wuchernden Vegetation. Dazwischen sieht man - in Brunnen oder auf Waldlichtungen - üppige überlebensgroße Nanas, ihre Polyesterfiguren, mit denen sie einst bekannt wurde.
Die Künstlerin arbeitete lange - von 1979 bis 1994 - an diesem Projekt, rang der garstigen Natur ihr eigenes Traumland ab und hauste unterdessen in der Skulptur „Herrscherin“. Unterstützt wurde sie von ihrem Partner Jean Tinguely, der die zum Teil bewohnbaren Riesenwesen baute. Saint Phalles Mosaike sind von Antoni Gaudís Park Güell in Barcelona inspiriert. Mit einigen Gestalten zitierte die Künstlerin, übrigens wie Spoerri, Objekte aus dem gut eine Autostunde entfernten Monster-Park bei Bomarzo.
„Dieser Garten entstand trotz Schwierigkeiten, aus Liebe, aus maßlosem Enthusiasmus, aus Besessenheit und vor allem aus tiefem Glauben. Nichts und niemand hätte mich aufhalten können.“
Niki de Saint Phalle
Heiliger Wald
Der Sacro Bosco bei Bomarzo ist (wortwörtlich) steinalt. In der Mitte des 16. Jahrhunderts ließ Fürst Vicino Orsini nach dem Tod seiner Frau dieses rätselhafte Pandämonium anlegen, in dem sich steinerne Ungeheuer mit monströsen Misch- und Fabelwesen tummeln. Nach dem Ableben des Fürsten geriet der völlig zugewucherte - auch Park der Ungeheuer (Parco di Mostri) genannte - Ort in Vergessenheit. Erst Mitte des 20. Jahrhundert wurde er wieder entdeckt. Die Skulpturen sind nicht fein säuberlich freigelegt und blankgeputzt, sondern zeugen mit ihrer eindrucksvollen Patina von der jahrhundertelangen Hochzeit der Natur mit der Kunst. Bis heute ist ungeklärt, welche zeitgenössischen Architekten, Bildhauer und Künstler hier wirkten.
Orsini ließ in dem Park auch ein schiefes Haus bauen, das Casa Pendente, welches mit seiner Schrägstellung das Gleichgewicht der Besucher und ihre Wahrnehmung völlig irritiert. Eine modern wirkende Idee, die Spoerri für eine bronzene Hütte in seinem Projekt aufgriff.
Salvador Dalí und Andre Breton besuchten als erste das restaurierte Anwesen und priesen es als Vorbote des Surrealismus, seitdem folgten viele Kunstschaffende. Man darf sich in dieser Fantasiewelt einfach treiben lassen und staunen. Aber mithilfe des gedruckten Führers kann man auch versuchen, die Mythologien und Anspielungen der bizarren Gestaltungen zu verstehen. Darin war wohl der Widerstand gegen den aufkommenden Rationalismus ebenso verborgen, wie eine Rebellion mit vorchristlichen Symbolen und Skulpturen antiker Gottheiten gegen das Papsttum.
Die zeitgenössischen Projekte Saint Phalles und Spoerris sind keine gefälligen Disneylands, sondern zeigen die Spannweite des künstlerischen Umgangs mit der Natur - zwischen Anpassung und Konfrontation. Ihr altertümlicher Vorläufer in Bomarzo ist ebenso faszinierend und wirkt teilweise erstaunlich modern. Alle drei Fantasiegärten lohnen den Besuch, für den man sich viel Zeit nehmen sollte.
„...Der Schädel mit dem Scheunentormund / darinnen Tische und Stühle aus gleichem Granit / dich empfinge wäre der meine: / Hüt dich vorm Eintritt / damit du nicht in die unterirdischen Tiefen / meines ferneren Leibes gelangst / ausgestreckt unter Bomarzo...“
Günter Kunert Auszug aus: „Sehnsucht nach Bomarzo“ (Text/Fotos: Hanswerner Kruse)
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INFO
Daniel-Spoerri-Garten: Derzeit lediglich am Wochenende geöffnet www.danielspoerri.org
i 58038 Seggiano (Gr)
Tarot-Garten von Niki de Saint -Phalle: Täglich geöffnet www.nikidesaintphalle.com
i 58011 Capalbio (Gr)
Park der Ungeheuer: Täglich geöffnet www.bomarzo.net
Località Giardino, i 01020 Bomarzo (VT)
FOTOs Hanswerner Kruse
Reihenfolge in der Mail:
1 - 2) Spoerri Garten
3 - 4) Tarot-Garten
5 - 6) Heiliger Wald
(Das Gedicht bezieht sich auf das riesige Maul; auch das schräge Haus ist im Text beschrieben)

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Die künstlerischen Gärten der italienischen Toskana werden beschrieben.
KW: Spoerri Garten, Tarot-Garten, Heiliger Wald, Salvador Dalí, Andre Breton, Toskana, Florenz, Rom