Foto: Bozena Behrens
DGPM 2023: „Cogito ergo sum – Ich denke, also bin ich“ – Fachkongress zu Veränderungen und Weiterentwicklungen in der Perinatalen Medizin
Über 1200 Teilnehmer aus ÄrztInnen, WissenschaftlerInnen, Hebammen, Fachkräften der Geburtshilfe und Neonatologie präsentierten vom 30. November bis 2. Dezember auf dem 31. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin ihre Daten, Ideen und Konzepte, um die maternale und feto-neonatale Gesundheit interprofessionell und über die Fächergrenzen hinweg zu verbessern.
Kongresspräsident Prof. Dr. med. Mario Rüdiger stellte dabei Themen in den Vordergrund wie Politische Rahmenbedingungen der Perinatalversorgung, Interprofessionelle Hebammenarbeit und Telemedizinische Angebote.
Derzeit ist sehr viel in Bewegung. Gerade wird in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert, wie eine flächendeckende Versorgung von Schwangeren und Neugeborenen auch in Zukunft gewährleistet werden kann. Während eines Pressegesprächs anlässlich des
alle zwei Jahre stattfindenden Perinatalkongresses riefen Prof. Dr. med. Mario Rüdiger, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin und Professor für feto/neonatale Gesundheit sowie Leiter des Fachbereichs Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden und Prof. Dr. med. Ekkehard Schleußner, Past-Präsident der DGPM, die Politik eindringlich zum Handeln in der Geburtshilfe auf. Trotz Personalmangels muss eine sichere heimatnahe Geburt bei gleichzeitiger Zentralisierung der Maximalversorgung ermöglicht werden.
Das vielfältige wissenschaftliche Programm des interprofessionellen Kongresses umfasste insgesamt 11 Hauptsitzungen, 16 Workshops, 7 Pre- und 3 Post-Kurse zu Themen wie Erstversorgung extrem unreifer Frühgeborener sowie Personalisierte Geburtsvorbereitung. Insgesamt formierten sechs Fachgesellschaften, darunter die Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft und die Österreichische
Gesellschaft für Prä- und Perinatalmedizin, ein wichtiges Forum rund um aktuelle perinatologische Themen.
Die gute Geburt als Ergebnis respektvoller Teamarbeit stand im Mittelpunkt einer interprofessionellen Hauptsitzung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), des Arbeitskreises Frauengesundheit (AKF), der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi) und Mother Hood e.V. Prof. Dr. Maritta Kühnert, Leitende Oberärztin der Klinik für Geburtshilfe und Perinatalmedizin der Universitätsklinik Marburg, stellte den kürzlich von der DGGG herausgegebenen Leitfaden „Respektvoller Umgang mit Patientinnen in Praxis und Klinik in der Gynäkologie und Geburtshilfe“ vor. In diesem sind Standards enthalten, die jeder Frau eine würdevolle und wertschätzende Gesundheitsversorgung ermöglichen sollen. Eine große Chance, die geburtshilfliche Versorgung zu sichern, ist nach Aussage von Interessensverbänden der hebammengeleitete Kreißsaal. Bereits 2021 gingen die ersten Hebammenkreißsäle an den Start. Unter der Überschrift „Ein Thema – Viele Meinungen“ legten ein Pädiater, Prof. Dr. med. Ulrich Thome, Leipzig, eine Geburtshelferin, Theresa Andraczek, Leipzig, und Hebamme Andrea Ramsell, Berlin, ihre Einschätzung dar. Der Fortschritt in der Pränataldiagnostik bringt auch neue ethische Fragestellungen hervor. Wie weit nutzen wir das medizinisch Mögliche? Die faktische Freigabe des Screenings aus mütterlichem Blut auf fetale genetische Chromosomenstörungen vor einem Jahr führte zu einer höheren Rate von möglicherweise falschen Ergebnissen und damit verbundenen Verunsicherung der Schwangeren. Betroffene Eltern und behandelnde Ärzte werden dadurch mit neuen Konflikten konfrontiert. Hier wird eine vielschichtige Aufklärung benötigt sowie emotionale und finanzielle Unterstützung.
Immer mehr an Bedeutung gewinnt nach Worten von Prof. Schleußner die präventiv Medizin. Erst seit kurzem ist ein RSV-Impfstoff für Schwangere zugelassen. Dieser ermöglicht einen Nestschutz vor der teils lebensbedrohlichen Atemwegserkrankung durch das Respiratorische Synzitial-Virus und wird auch von der DGPM empfohlen. Vorgestellt wurden außerdem weitere Auswertungen aus der CRONOS Registerstudie zu den Auswirkungen einer Infektion in der Schwangerschaft mit dem SARS-CoV-2 Erreger auf die mütterliche und kindliche Gesundheit. Dr. Nadine Mand, Marburg, erläuterte Erkenntnisse aus den CRONOS-Follow-Up-Untersuchungen zu den
Auswirkungen einer peripartalen SARS-CoV-2 auf das Neugeborene. Dr. Lars Mense,Dresden, berichtete über das Erleben der Schwangeren in der Pandemie.
Für sehr emotionale Debatten sorgt in der Öffentlichkeit die ab 2024 geltende Mindestmengenregelung bei Frühgeborenen. „Das Vorhalten personeller und technischer Voraussetzungen zur Versorgung extrem unreifer Frühgeborener kann auf wenige Zentren begrenzt werden. Ein Vergleich mit Schweden zeigt, dass im dünnbesiedelten Norden bei einer deutlich größeren Fläche mit weniger Level 1 Perinatalzentren die Überlebensrate von Frühgeborenen unter 28 Schwangerschaftswochen bei 81,1 Prozent liegt. In Deutschland gegenwärtig nur bei 77,1 Prozent trotz mehr als 160 Level 1 Perinatalzentren“, argumentiert Prof. Rüdiger. Vor allem brauche es eine Verbreiterung des regionalen Angebotes an Level 2 Kliniken und Kliniken mit perinatalem Schwerpunkt.
Weitere Kongress-Highlights waren neben den Verleihungen des Maternité-Preises an Prof. Dr. Manfred Voigt, Rostock, und des Credé-Preises an PD Dr. Florian Kipfmüller, Bonn, die feierliche Verleihung weiterer Vortrags-, ePoster- und Wissenschafts-Preise.
PM/DGPM 2023