Foto: Bozena Behrens

Mit dem DKOU startet heute in Berlin der europaweit größte und bedeutendste Fachkongress für Orthopädie und Unfallchirurgie. Vom 24. bis zum 27. Oktober bietet der Kongress unter dem Motto „Kompetent in Qualität und Fortschritt“ ein internationales Forum, um über aktuelle Entwicklungen des Fachs zu diskutieren. Etwa 8.500 Ärzte, Wissenschaftler sowie Branchenvertreter werden erwartet.

Das viertägige Kongressprogramm umfasst rund 260 Veranstaltungen, darunter Vorträge und Diskussionspanels, Science Slams und Live-Operationen. Die drei Präsidenten des Kongresses haben je ein Schwerpunktthema gewählt, das sie in den Fokus stellen: erstens der Einsatz digitaler Technologien und die Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI), zweitens die Nachwuchsförderung zur Bekämpfung des Ärztemangels und drittens die Schonung von Ressourcen im Klinik- und OP-Alltag.

Digitaler: Neue Technologien und KI in O und U sinnvoll nutzen

Digitale Technologien wie Operationsroboter, intraoperative Navigationssysteme, OP-Planungssysteme oder 3D-gedruckte Implantate helfen schon heute, Anwendungen im OP zu erleichtern und zugleich die Sicherheit und Behandlungsqualität in O und U zu erhöhen. Vor allem die Nutzung Künstlicher Intelligenz eröffnet großes Potenzial: sie ebnet den Weg zu einer personalisierten, individuell auf einzelne Patienten und Patientinnen abgestimmten Therapie. 

Mit den neuen Möglichkeiten gehen jedoch fachliche, ethische und rechtliche Fragestellungen einher. „Wir müssen Nutzen und Chancen, aber auch Grenzen und Herausforderungen dieser Technologie mit einem aktiven Diskurs begleiten“, sagt Prof. Christoph-Eckhard Heyde, Kongresspräsident für den Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). „Dafür werden wir den diesjährigen Kongress intensiv nutzen.“ Große, repräsentative und trainierte Datenmengen sind die Grundlage jedes KI-gestützten Systems; die Fragen der Erhebung, Sicherheit und Nutzung der gesundheitsbezogenen Daten müssen dabei mit den Interessen der Forschung und des medizinischen Fortschritts in Einklang sein. Einheitliche europäische, wenigstens jedoch einheitliche deutsche regulatorische Standards wären dafür eine wichtige Voraussetzung. 

Jünger: Ideen gegen den Nachwuchsmangel in O und U 

In orthopädischen und unfallchirurgischen Kliniken zeichnet sich zunehmend ein Mangel an Ärztinnen und Ärzten ab. Etwa 55 Prozent der Abteilungen melden durchschnittlich zwei bis drei unbesetzte Stellen.  „Wir müssen hier dringend gegensteuern, um die drohende Unterversorgung einer alternden Bevölkerung mit hohem Anspruch an Lebensqualität und Mobilität abzuwenden“, warnt Prof. Steffen Ruchholtz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). „Dafür bedarf es kluger gesundheitspolitischer Entscheidungen und eines starken Engagements der Gemeinschaft der Orthopädie und Unfallchirurgie.“ 

Anlässlich des DKOU fordern die Fachgesellschaften und der Berufsverband eine Ausweitung des Studienplatzangebots für Medizinstudierende. Sie selbst verstärken ihre Initiativen zur Nachwuchsförderung auf vielen Ebenen. Um die Attraktivität des Faches bereits im Studium zu stärken, wird erstmals auf dem Kongress der Preis für die beste Lehre in Orthopädie und Unfallchirurgie vergeben. Gemeinsam mit dem medizinischen Nachwuchs sollen zudem tragfähige Modelle für Teilzeitarbeit und Karrieregestaltung entwickelt werden, um die Arbeitsbedingungen der klinisch tätigen Ärztinnen und Ärzte zu verbessern. Ein weiteres Anliegen ist die aktive Förderung internationaler Nachwuchsmediziner, die in einem neuen Kurs besser auf den deutschen Alltag in Notaufnahme, OP und Station vorbereitet werden.

Grüner: Kliniken sollen klimafreundlicher werden 

Ein zentrales Kongressthema bildet eine ökologisch nachhaltigere Patientenversorgung, denn der Gesundheitssektor zählt zu den bedeutendsten CO2-Emittenten. „Wäre das Gesundheitswesen ein Land, so wäre es der weltweit fünftgrößte Emittent“, erläutert Prof. Maximilian Rudert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), und plädiert für konkrete Maßnahmen zum Erreichen der Klimaschutzziele.

Eine große Herausforderung bildet der CO2-Ausstoß durch Operationen. Wie eine aktuelle Untersuchung  der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus in Würzburg zeigt, geht der größte Anteil mit 47 Prozent auf den laufenden OP-Betrieb zurück. So fallen für eine Hüftprothese 78,9 kg CO2 an. Bei jährlich 233.500 Hüftprothesen in Deutschland entstehen so etwa 18.400 Tonnen CO2 – so viel erzeugen 7.000 Haushalte pro Jahr. Erhebliches Potenzial zur Verbesserung der Bilanz im Gesundheitswesen bietet eine Dekarbonisierung der Lieferketten: Da die Produktion von Einwegmaterialien wie Abdeckungen, Schutzkleidung und Verpackungen etwa 37 Prozent der Emissionen ausmacht, könnte allein die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien den CO2-Fußabdruck von Operationen deutlich verringern. „Die Analysen zeigen, dass alle Akteure des Gesundheitssektors in der Verantwortung stehen, etwas zu bewegen“, betont Prof. Rudert. 

Referenzen:
(1) Ruchholtz et al. (2023): Orthopädie und Unfallchirurgie 2023 – haben wir genug Nachwuchs? In: Zeitschrift f. Orthopädie und Unfallchirurgie (webbasierte Umfrage vom 22.11. bis 5.12.2022, beantwortet von 185 Kliniken)
(2) Eidmann, Geiger, Stratos, Rudert (2023): Die CO2-Bilanz orthopädischer Operationen; Welchen Einfluss hat die Orthopädie auf den Klimawandel? In: Orthopädisch-unfallchirurgische Nachrichten