DSCF5436

Von li. nach re.:
Reinickendorfer Bezirksverordneter Michael Schulz (GRAUE PANTHER); Intendant Dan Lahav; Rainer-Michael Lehmann, MdA (SPD), Integrationspolitischer Sprecher seiner Fraktion /Foto: VTN

Am 12. November 2015 hatte das Stück „Shalom – Salam wohin?“ im Jüdischen Theater in der Charlottenburger Meinekestraße Premiere. Geschrieben hat das Werk der Intendant des Theaters, Dan Lahav. Er führte auch die Regie, Mitwirkende sind Jugendliche aus dem Jugendzentrum der Berliner Jüdischen Gemeinde, dem Berliner Türkischem Theater Tyatrom sowie die Ensemblemitglieder des Jüdischen Theater Größenwahn, Alexandra J. Frölich, Ana Pauline Leitner und Aimee Göpfert. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dessen Programm „Demokratie leben“ haben das Projekt finanziell unterstützt. Weitere Unterstützer waren die Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Zentralrat der Muslime und die Jüdische Gemeinde zu Berlin. Mit multikulturellen Tagen setzt das Theater Größenwahn ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und wirbt mit dem ambitionierten Jugend-Theater-Projekt „Shalom, Salam – wohin?“ um Verständnis füreinander. Damit reflektiert das Stück die aktuelle Situation in Deutschland, wo neben aller Weltoffenheit neuer Antisemitismus und Antiislamismus, alter Rassismus und Fremdenfeindlichkeit das Bild bestimmen. Mit Jugendlichen christlicher, jüdischer und muslimischer Prägung auf der Bühne spricht Intendant Dan Lahav, der in seiner Familie zahlreiche KZ-Opfer beklagen muss, die widerwärtige Tagespolitik der Braunen an.

Nicht von ungefähr heißt im Stück die immer auf die Hausordnung hinweisende Mieterin im Haus in der Schöneberger Eisenacher Straße „Frau Braun.“ Sie ist von der Dresdner Pegida so begeistert, dass sie diese tatkräftig unterstützen möchte. Frau Braun vertritt die Auffassung, sie als deutsche Staatsbürgerin dürfe sich mehr erlauben, als Araber und Juden. Die im Haus wohnende arabische, muslimische Familie darf den Kinderwagen nicht im Hausflur abstellen, Frau Braun hingegen ihr Fahrrad schon. Sie ist ja von deutschem Blute. Die ebenfalls im Haus wohnenden Juden müssen die Mittagsruhe einhalten und dürfen nicht musizieren. Frau Braun hingegen vertritt die Auffassung, sie habe das Recht, so laut Musik zu hören wann immer sie wolle. Dank Pegida und andern braunen Bewegungen könne man ja jetzt endlich wieder einmal sagen, dass „diese Juden dem Vaterland schon immer Unglück gebracht haben. Die Muslime sind keinen Deut besser.“ Nun heißt es, mitzumarschieren, nicht nur jeden Montag in Dresden! Sie will auch tagtäglich ein „Zeichen setzen gegen die Durchmischung des edlen deutschen Blutes.“ Als sie beispielsweise in einem Kaffeehaus von einer Kellnerin mit Migrationswurzeln bedient wird, lautet die Frage: „Ist es denn zu viel verlangt, wenn man einen deutschen Kellner haben will?“ Dan Lahav hat noch ein paar allzu menschliche Begegnungen eingebaut. Frau Brauns Sohn ist abgedriftet zu den Salafisten und hatte in Syrien für den IS gekämpft. Dahinter stecken doch nur die muslimischen Nachbarn, die bestimmt den armen Jungen verführt haben zum IS. Die im Hause wohnenden Araber versuchen vergeblich der deutschen Nachbarin zu erklären, dass sie „mit dem IS nix am Hut haben. Für uns sind das alles Verbrecher. Wir sind vor diesen Terroristen geflohen.“ Verzwickt wird dann das nachbarschaftliche Leben noch mehr, weil sich ausgerechnet ein junger jüdischer Deutscher und eine junge muslimische Deutsche „ineinander verknallen.“ Dan Lahav hat wieder einmal gezeigt, mit viel jüdischem Witz kann man uns angenehm den Spiegel vor die Nase halten. Er sagte: „Als Jude, als Künstler, als Deutscher kann ich nicht zufrieden sein mit dem, was in Dresden und anderswo geschieht. Auch was den Nahen Osten angeht, muss ich Euch leider mitteilen, ich habe keine Lösung parat. Wenn ich eine hätte, wäre dort schon längst Frieden.“ Mit langem Applaus hat das Publikum die Premiere aufgenommen. Unter den Gästen befanden sich u. a. der Reinickendorfer Bezirksverordnete Michael Schulz (GRAUE PANTHER). Er teilte mit: „Das Stück geht einem richtig unter die Haut. Ich bin begeistert, mit welcher Spielfreude hier jüdische und muslimische Jugendliche sowie Erwachsene, die ausgebildete Schauspieler sind, vor den Gefahren des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit warnen.“ Rainer-Michael Lehmann gehört dem Berliner Abgeordnetenhaus an. Der SPD-Politiker ist Sprecher für Integration seiner Fraktion. Er betonte: „Ich würde mich sehr freuen, wenn möglichst viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Abgeordnetenhaus sich das Stück und das Haus anschauen. Staatssekretär Tim Renner hat allerdings wieder eine öffentliche Bezuschussung des Jüdischen Theaters abgelehnt. Ich werde mich weiterhin mit aller Kraft dafür einsetzen, dass diese wunderbare Spielstätte nicht immer leer ausgeht, wenn Geld aus dem Kulturetat verteilt wird.“ Ein anwesender Berliner Künstler, der als Gast die Vorstellung besuchte, bat darum, namentlich nicht genannt zu werden, was unsere Redaktion natürlich akzeptiert. Dieser Künstler machte auf folgenden Sachverhalt aufmerksam: „Schauen Sie sich die Bundesländer Bremen und Hamburg an. Bremen hat 0,7 Millionen Einwohner, Hamburg eine Million Bürger knapp mehr, also 1,7 Millionen. Beide Länder werden von einem SPD-Politiker regiert und die Kultur betreut dort ein Senator. Berlin wird auch von einem SPD-Politiker regiert, hat sogar 3,5 Millionen Einwohner. Hier wird Kultur so klein geschrieben, dass ein Staatssekretär das Ressort leitet. Herr Müller als Regierender Bürgermeister kann doch schon aus Zeitgründen sich nicht seinem Ressort Kultur widmen. Allein der Bau des Flughafens BER bindet ihn doch schon genug. An solchen Punkten kann man festmachen, wie es um die Kultur hier bestellt ist.“ Frau Marguerite Kollo wohnte der Premiere ebenfalls bei. Sie ist Vorstandsvorsitzende der Operettenstiftung und erklärte: „Heute habe ich ein beeindruckendes Werk auf der Bühne erleben dürfen. Meinen Dank richte ich nochmals an meinen Freund Dan Lahav und alle Mitwirkenden aus. Auch gilt mein Dank Herrn Lehmann aus dem Abgeordnetenhaus, der sich für Subventionen für dieses künstlerisch so wertvolle Theater immer wieder einsetzt. Es ist eine kulturpolitische Schande, wie dieser Berliner Senat mit dem Jüdischen Theater umgeht.“
www.deutsch-juedisches-theater.de

(Text/Bild: VTN)

{gallery}2015/Theater2/,limit=0,random=1,width=100,height=100,gap_h=20,gap_v=20,displayarticle=1{/gallery}