Fotos: Bozena Behrens

Einkauf muss Rolle als Brückenbauer ernst nehmen

BME-Bundesvorstandsvorsitzende Gundula Ullah hat am Mittwoch in Berlin das 59. Symposium Einkauf und Logistik mit rund 1.500 Teilnehmenden, 190 Referent:innen sowie 120 Ausstellern, Sponsoren und Partnern eröffnet. Die größte Netzwerkveranstaltung des Fachverbandes endet am Freitag.
Die Auswirkungen der geopolitischen Zeitenwende sowie der digitalen Transformation auf Einkauf, Beschaffungslogistik und Supply Chain Management sind zentrale Themen des 59. BME-Symposiums. Der größte Fachkongress für Einkaufsmanager im deutschsprachigen Raum findet vom 13. bis 15. November 2024 in der STATION Berlin statt. 

Unter dem Motto „#PRO:CONNECT24“ bietet das Event den rund 1.500 Teilnehmenden, 190 Referent:innen sowie den 120 Ausstellern, Sponsoren und Partnern bis Freitag eine Plattform für die Diskussion gegenwärtiger und künftiger Beschaffungsstrategien.

„Wir stehen auch in diesem Jahr vor einer Welt voller Dynamik und Ungewissheit. Die USA-Wahlen sind gerade erst vorüber und die Folgen für uns spürbar. Klar ist, dass die Zeiten der klassischen Transatlantiker sich mit dem Ende der Ära Biden und den kommenden Bundestagswahlen dem Ende zuneigen“, betonte Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), am Mittwoch in ihrer Eröffnungsrede.

Die deutsche Wirtschaft, die so stark wie selten auf verlässliche globale Lieferketten angewiesen sei, stehe vor Herausforderungen. Der wirtschaftliche Motor stottere, und er brauche nicht nur neue Investitionen, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Kräfte, die hinter den Beschaffungsmärkten und Lieferketten stehen. Ullah: „Die Frage bleibt, ob die aktuelle Bundesregierung auf der Zielgeraden noch die notwendigen Impulse für ein nachhaltiges Investitionspaket setzen kann – oder ob dies nur ein Wunschtraum bleibt und sich die Ampel im Wahlkampf verliert.“

Für den Einkauf bedeute dies, dass er seine Rolle als vierfacher Brückenbauer ernst nehmen müsse – gerade in Zeiten, in denen die geopolitischen Verbindungen wackeln. Er sei Brückenbauer zwischen sich verändernden Beschaffungsmärkten und Geschäftspartnern, zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sowie Tradition und Moderne. Der Einkauf setze sich zudem „für mehr Diversität in den zukünftigen Einkaufsrollen ein“.

Peer Steinbrück, Bundesminister a.D., verwies bei der Definition des Begriffes „Zeitenwende“ auf bestehende deutsche Defizite – so unter anderem bei Wettbewerbsfähigkeit, Digitalisierung, Bildung und bezahlbarem Wohnraum. Die aktuelle geopolitische Zeitenwende sei geprägt durch eine Verschiebung der Machttektonik weg von Europa und hin zu Asien.

Deutschland und Europa seien aktuell nur unzureichend auf die geopolitischen Veränderungen vorbereitet. Es müsse seine Hausaufgaben machen. Handlungsbedarf bestehe bei den Bereichen Energie, Digitalisierung und Verteidigung. Steinbrück forderte zudem eine Kapitalmarktunion.

Nach Einschätzung von Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor des Centrums für Europäische Politik, befindet sich Europa in einer geopolitischen Zeitenwende. Es gehe jetzt darum, „Wege zu mehr Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit“ einzuschlagen. Die Welt sei in Unordnung. Es gelte das Recht des Stärkeren. Die alte Ordnung zerfalle. Es herrsche ein Kampf um die Hegemonie zwischen USA und China. Zudem seien die „pax americana“ und der regelbasierte Multilateralismus am Ende. Angesichts dieser Entwicklungen sprach sich Vöpel für eine „neue geopolitische EU“ aus. Dazu seien sieben Maßnahmen erforderlich:
1. Zugänge zu Rohstoffen und Energiesouveränität
2. Verteidigungsfähigkeit (konventionell und hybrid)
3. Hoheit über kritische Infrastrukturen
4. Technologieführerschaft
5. Neue Handelsabkommen und „strategische“ Außenpolitik
6. Stärkung des Binnenmarkts (Kapitalmarktunion)
7. Reform Europäischer Institutionen (Geschwindigkeit)

Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, sieht vor allem die Industriepolitik in Deutschland in der Pflicht. Denn es gelte, mit Blick auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit den aktuellen Herausforderungen wie Cyberattacken, Cybercrime, Spionage, neue Wettbewerber und neue Geschäftsfelder zu begegnen“, sagte er in seiner Keynote. Gleichzeitig müssten vorhandene Chancen besser genutzt werden.

Laut Hüther sei die Lage für die größte Volkswirtschaft der Euro-Zone unter anderem deshalb so schwierig, weil sich akute Krisen (Kriege, Geopolitik, De-Globalisierung) und permanente Strukturschocks (Fachkräftemangel, Effizienz- und Produktionsprobleme, Kostennachteile) überlagerten.

Im Vorfeld des diesjährigen Kongresses hatte Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck in einem Grußwort für das 59. BME-Symposium auf die wachsende Bedeutung Künstlicher Intelligenz (KI) als eines der entscheidenden Zukunftsthemen hingewiesen. Vor allem der Einkauf erkenne und nutze die Potenziale der KI zur Optimierung seiner Beschaffungsprozesse. Habeck: „Bei der KI handelt es sich um eine Schlüsseltechnologie des digitalen Wandels, von der auch wir erhebliche Produktivitätssprünge erwarten. Sie wird ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen und europäischen Standorts sein. Deswegen gilt es, von Anfang an Abhängigkeiten zu vermeiden, wenn wir technologisch und digital souverän werden und bleiben wollen – und genau das streben wir an.“

Quelle und weitere Informationen: www.bme.de