neuzelle 5Kircheninneres „St. Marien“ im Kloster Neuzelle. / Foto: Ingrid Müller-Mertens

Wunderbares gibt es immer wieder in dem mit landschaftlichen, kulturhistorischen und architektonischen Wundern reich gesegneten Land Brandenburg. Ein ganz besonderes Kleinod ist das Zisterzienserkloster Neuzelle. Anno 1238 gegründet, wurde die gotische Anlage dann auf Anregung einiger in Wien und Prag studierenden Mönche im 17. Jahrhundert im besonders üppigen und lieblichen Stil des böhmischen Barock umgestaltet. Und da dieses Kloster im Gegensatz zu den meisten anderen nach der Reformation nicht aufgelöst wurde, kann man heute in Neuzelle eine der ganz wenigen, vollständig erhaltenen barocken Klosteranlagen bewundern und noch dazu das einzige Zeugnis böhmischen Barocks im Norden Europas.

Als Folge des Wiener Kongresses wurde das Neuzeller Kloster 1817 durch den Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. säkularisiert und unter anderem für ein Waisenhaus und ein Lehrerseminar genutzt. 1955 wurde das Stift Neuzelle verstaatlicht und 1996 als Stiftung Stift Neuzelle neu gegründet.
Neben den beiden Barockkirchen und dem noch aus der Gründungszeit erhaltenen gotischen Kreuzgang, in dem sich die wohl größte Sammlung säkularer barocker Textilien befindet, erstreckt sich zur Oder hin ein idyllischer barocker Klostergarten, der auch in die Liste der bedeutendsten Gärten in Deutschland aufgenommen wurde. Nach dem absolutistischen Prinzip der allumfassenden Macht, musste sich auch die Natur dem menschlichen Willen unterordnen und wurde entsprechend zurechtgestutzt. Allein vier Kilometer Hecken in verschiedenen Formen haben die Klostergärtner heute zu schneiden.
Ziemlich einmalig ist auch der Anblick einer ehemals gotischen Kirche, die barockisiert wurde. Hier kann man das seltene Phänomen erleben, wie durch die pompöse und geschickt angeordnete Innenausstattung die Illusion gewaltiger Größe erzeugt wird. Sozusagen ein Raumwunder. Schaut man allerdings in die Gegenrichtung erscheint das dreischiffige Kirchenschiff plötzlich eher klein und unscheinbar. Eine frappierende optische Täuschung, die die Besucher entzückt, so wie überhaupt die reichhaltige figürliche Gestaltung der Seitenaltäre, Säulen und Feiler, die farbenfrohen Fresken und üppig vergoldeten Stukkaturen.
Seit März dieses Jahres nun ein weiteres Juwel zu besichtigen - die Neuzeller Passionsdarstellungen vom Heiligen Grab. Auch dieses Wunderwerk ist in seiner Art einzigartig in Europa. Zu sehen sind übermannshohe Darstellungen aus der Leidensgeschichte Jesu, Sie wurden um 1750 als Kulissen für das Klostertheater angefertigt und gerieten später in Vergessenheit. Aus heutiger Sicht ein Glücksfall, denn die insgesamt 240 Einzelteile mit bis zu sechs Meter hohen Leinwänden, Holzversatzstücken und Figurengruppen sind so im Original erhalten geblieben. Zwei der insgesamt 15 Szenen der Neuzeller Passionsdarstellungen sind inzwischen restauriert und weitere werden folgen. Dass man eine solche Rarität entsprechend präsentieren muß, war klar. Und so wurde für eine Million Euro aus verschiedenen Fördertöpfen das "Himmlische Theater" geschaffen, ein unterirdisches Museum mit modernster Technik und Ausstellungsgestaltung, ein Touristenmagnet.
Nach so viel geballter Barockkunst empfiehlt sich ein eher kulinarisches Juwel. Ebenfalls mit barocken Wurzeln.
Unmittelbar vor den Toren des Klosters befindet sich die Neuzeller Klosterbrauerei. Schon 1416 wurde hier von den Mönchen Bier gebraut. Heute führt ein mittelständischer Familienbetrieb Tradition und handwerkliche Braukunst fort und der kleine aber feine Betrieb versteht sich als Spezialitätenmanufaktur für Bierliebhaber. Bei einer Führung kann man anschaulich verfolgen, wie Hopfen und Malz in den traditionellen Anlagen verlorengehen und als süffiges Bier in den verschiedensten Geschmacksrichtungen wieder zum Vorschein kommt. Einige von den 40 verschiedenen Bierspezialitäten kann man zum krönenden Abschluss kosten.
Eine Wanderung durch den auch ziemlich einzigartigen Naturpark Schlaubetal oder eine Radtour entlang der Oder und Neiße könnte dann das Erlebnis Neuzelle stimmig abschließen.
Information:
www.neuzelle.de

www.stift-neuzelle.de

www.klosterbrauerei.com

Text und Fotos: Ingrid Müller-Mertens (Berliner Umschau)

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