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Foto: Wolfgang Behrens

In der Mitte Berlins, nur ganz wenige Schritte vom S und U-Bahnhof Friedrichstraße entfernt, befindet sich die Marienstraße. In der Zeit von 1827 bis 1840 entstand der als Wohnstraße angelegte Straßenzug. Sie ist sehr bescheiden, was ihre Länge betrifft, es sind gerade einmal dreihundert Meter. Die Marienstraße ist die einzige Berliner Straße dieser Epoche, die sich bis heute noch so darbietet, wie es die Baumeister einst geplant hatten. Im Zweiten Weltkrieg wurden hier nur ganz wenige Häuser zerstört. 1970 wurden die Häuser auf Beschluss des Magistrats in Berlin aufwendig saniert und danach unter Bestandsschutz gestellt.


Bis 1825 befanden sich an dieser Stelle noch Wiesen und Morast, die zunehmende Industrialisierung sorgte für eine Stadterweiterung. Die neu gewonnenen Flächen erhielten als Ganzes die Bezeichnung Friedrich Wilhelm Stadt. Jede neue Straße erhielt den Namen einer wichtigen preußischen adligen Dame oder Herrn. Ehrlicherweise muss mitgeteilt werden, die Marienstraße bildet da eine ganz kleine Ausnahme.
Von 1808 bis 1877 lebte Prinzessin Marie Luise Alexandrine von Sachsen-Weimar-Eisenach. Ihr Vater war der Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach, ihre Mutter die Schwester des russischen Zaren Alexander I. Ihr Name lautete Großfürstin Maria Pawlowna Romanowa. In Frankfurt an der Oder traf die damals sechzehn Jahre junge Marie zufällig den Prinzen Carl von Preußen. Sie war mit der Frau Mama auf dem Weg nach Russland, um Familienangehörige zu besuchen. Der Prinz war der dritte Sohn von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und Königin Luise, geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz. Carl weilte an diesem Tag in der Oderstadt. Es ist überliefert, Marie und der Preuße fanden sich sofort sympathisch. Im Jahre 1825 war Marie mit Carl bereits verlobt, sodass die königlichen Berliner Stadtväter diese Straße nach einer zukünftigen Preußin benannten. Im April 1827 heiratete das Paar.

Die meisten Häuser in der Marienstraße schuf August Stüler, der von 1800 bis 1865 lebte. Er erlernte sein Wissen um die Kunst des Bauens bei dem berühmten Baumeister Karl Friedrich Schinkel, der unter anderem in Berlin die Neue Wache, das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt und das Schloss Tegel federführend erbaute. Die bereits erwähnte Luise gab ihren Namen für die Luisenstraße. Ungefähr in Höhe der dort gelegenen Landesvertretung von Sachsen-Anhalt mündet die Marienstraße in die Luisenstraße. Hier beginnt unser Spaziergang durch die Marienstraße, in der so zahlreiche berühmte Persönlichkeiten wohnten. An der Ecke Marienstraße 32 Luisenstraße 39 befindet sich die Gedenkstätte für den japanischen Sprachwissenschaftler, Militärarzt und Dichter Mori Ogai. Der von 1862 bis 1922 lebende Wissenschaftler und Künstler verbrachte zwei Jahre seines Lebens, von 1887 bis 1889, hier. Als erster Japaner übersetzte er Goethes Faust I und II.
In der Marienstraße 28 lebte von 1855 bis 1857 der Musikpädagoge Siegfried Wilhelm von Lehn. Der von 1799 bis 1858 lebende Musiker und Musiklehrer unterrichtete im Sommer 1856 den russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka. Der Schüler hatte keinen weiten Weg zu seinem Lehrer. Glinka wohnte während seines Berlin Aufenthaltes im Haus gegenüber, in der Hausnummer 6.
An der Hausnummer 24 ist (noch) kein Hinweisschild für die einst hier wohnende prominente Mitbürgerin angebracht. In Berlin sagt der Volksmund in Anlehnung an einen ehemaligen Regierenden Bürgermeister: „Und das ist auch gut so.“ Handelt es sich doch um die noch einzig lebende Prominente aus der Marienstraße. In den 80er Jahren wohnte die damals als Physikerin arbeitende Angela Merkel hier.
Zwei Hausnummern weiter, in der 22, lebte von 1860 bis 1865 der Kunstmaler Adolf von Menzel. In der Marienstraße 14 war im wahrsten Sinne des Wortes der Stadtverordnete, Lehrer und Mathematiker Johannes Tropfke zu Hause. Er kam 1866 in diesem Haus zur Welt und verstarb 1939 in seinem Geburtshaus. Wenige Wochen vor seinem Ableben wurde er für seine Verdienste um die Mathematik mit der Leibnitz-Medaille geehrt. Johannes Tropfke ist der Einzige unserer berühmten Persönlichkeiten, der sowohl in der Marienstraße geboren wurde und auch verstarb.
Jean Sibelius gilt als einer der größten Söhne seiner finnischen Heimat. Der von 1865 bis 1957 lebende Komponist ist heute noch in Skandinavien allgegenwärtig. In Helsinki befindet sich das Sibelius-Denkmal, zu seinem 80. Geburtstag gab die finnische Post eine Briefmarke mit seinem Konterfei heraus. Die musikalische Hochschule in Helsinki trägt seinen Namen, 1929 wurde der Komponist Ehrenmitglied der Londoner Philharmonie. Von ihm stammen beispielsweise Chorwerke, eine Oper, Kammermusikwerke, sinfonische Dichtungen und Orchestersuiten. Nur von 1967 bis 1970 existierte der afrikanische Staat Biafra, der sich von Nigeria gelöst hatte und nach heftigen Kämpfen wieder zurückkehrte. Die von Sibelius komponierte sinfonische Dichtung Nummer 26 diente als Nationalhymne von Biafra. Im Jahre 1889 wohnte der Komponist mehrere Monate in dem Haus mit der Nummer vier.
Die Marienstraße berührt dann die Albrechtstraße, an dieser Ecke steht ein Hotel. Dort befindet sich auch eine Gedenktafel, obwohl dieser Gast nur einen einzigen Tag seines Lebens hier zugegen war. Bei seinem Besuch in der DDR weilte der US-Bürgerrechtler Martin Luther King in diesem Hotel. Der 1929 geborene Baptistenpastor erhielt 1964 den Friedensnobelpreis. Martin Luther King, der ein Kämpfer gegen die US-Rassentrennung war, wurde 1968 von Rassisten in Memphis im US-Bundesstaat Tennessee ermordet.
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Fazit: Auf nur 0,3 Kilometer Länge kann der Besucher bei einem Bummel über die Marienstraße an zahlreichen Häusern Gedenktafeln ausmachen. Die Marienstraße liegt in Nähe der S- und U-Bahnstation Friedrichstraße. Wer seinen Bummel an der Ecke Albrechtstraße beginnen möchte, geht kurz über die Brücke am S-Bahnhof und kommt direkt dorthin. Wer seinen Spaziergang an der Luisenstraße starten möchte, kann den Bus TXL nehmen. Er fährt vom Flughafen Tegel Richtung Alexanderplatz. Die Haltestelle trägt den Namen Marschallbrücke. Mittlerweile befinden sich in der einst nur als Wohnstadt erstellten Straße auch Cafés und Restaurants. (Text: VTN/Foto: Bozena Behrens)